„Das sind Flüchtlingsgefängnisse“

Besuch im Ankunftszentrum: Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen, und der Kampf gegen die „Ankerzentren“

27.06.18 –

Besuch im Ankunftszentrum: Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen, und der Kampf gegen die „Ankerzentren“

VON MANFRED EICKHOLT

BAD FALLINGBOSTEL. 100 Tage „GroKo“ in Berlin: Nicht nur an diesem Tag ist Sven-Christian Kindler, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, fassungslos über das, was aus dem Süden der Republik bis in den Heidekreis schwappt. „Die CSU fährt einen Angriff auf den Rechtsstaat“, fasst der junge Politiker nach einem Besuch des Ankunftszentrums für Flüchtlinge am Freitag in Bad Fallingbostel/Oerbke das zusammen, was der bayrische Partner des Regierungsbündnisses treibt. Unter dem Strich zieht Kindler dieses Fazit: Das Ankunftszentrum im Heidekreis funktioniert gut, ein sogenanntes „Ankerzentrum“ müsse unter allen Umständen verhindert werden.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) möchte solche „Ankerzentren“ (Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen) einführen. Auch wenn immer noch niemand so genau weiß, wie diese Variante aussehen soll. Die Befürchtung ist, dass in solchen Einrichtungen vor allem junge Männer jahrelang „kaserniert“ werden könnten. Weil Bad Fallingbostel/Oerbke als möglicher Standort ins Spiel gebracht wurde, hofft Kindler jetzt vor allem, dass Weil und Pistorius „nicht umfallen“. Denn der niedersächsische Ministerpräsident und sein Innenminister haben sich bisher zurückhaltend gezeigt.

„Ankerzentrum ist ein verharmlosender Begriff“, so Kindler, „das sind Flüchtlingsgefängnisse“. Die Standorte Bamberg und Manching in Bayern („Transitzentren“) hätten gezeigt, dass die Menschen in solchen Gebilden offenbar weder Zugang zu sozialpädagogischen Angeboten haben, noch zu unabhängigen Asylberatungen. Das Problem: Im vergangenen Jahr hatten laut Kindler um die 32.000 Flüchtlinge in Deutschland gegen ihren Asylbescheid des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) geklagt, rund 40 Prozent bekamen Recht. Doch das dauert. Und so drohe manchen Menschen in „Ankerzentren“, wo die Flüchtlinge grundsätzlich bis zum Ende der Verfahren (auch bis zu einer möglichen Abschiebung) ausharren sollen, jahrelange Aufenthalte.

Auch die Leiterin des Ankunftszentrums Bad Fallingbostel/Oerbke habe signalisiert, dass die vorhandene Einrichtung gut funktioniere, erklärt Kindler. Ein „Ankerzentrum“ halte sie nicht für notwendig. Seit Monaten sind im Durchschnitt rund 400 Menschen dort untergebracht, darunter ein Viertel Kinder. Etwa drei bis vier Wochen halten sich die Flüchtlinge im Durchschnitt in der Anlage auf. Noch ist es so, dass unklare Asyl-Verfahren (auch Klagen) nicht mehr im Heidekreis abgearbeitet werden.

Kindler und seine Begleiter Ellen Gause, Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes, und Egon Hilbich (Bündnis 90/Die Grünen, Stadtrat Bad Fallingbostel) zeigten sich nach ihrem Besuch unter anderem von der Gesundheitsversorgung im Ankunftszentrum beeindruckt. Sie sei „gut geregelt“. Auch Kita-Betreuung, Sicherheitslage, Asyl-Verfahren und andere Bereiche gäben keinen Grund zur Sorge. „Der jetzige Zustand ist auf jeden Fall besser, als das, was kommen soll“, fasst Kindler zusammen.

Begrifflichkeiten wie „Asyl-Streit“ oder „BAMFSkandal“ helfen nicht unbedingt mit, die Gemüter der breiten Bevölkerungsmehrheit auf Humanität und Recht auf Asyl einzunorden. Kindler findet zwar auch, dass das BAMF in Nürnberg reformiert werden muss. Und er hofft, dass der neue BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer als ehemaliger Mitarbeiter des bayrischen Innenministeriums bei der Arbeit keine CSU-Marotten einfließen lässt. Es sei allerdings ein Unding, wie generell auf eine Behörde eingeprügelt werde. Rund um das Geschimpfe auf den „Bremer BAMF-Skandal“ werde völlig außer Acht gelassen, dass dort mittlerweile nur noch von der Hälfte der angeprangerten Fälle die Rede sei. „Und auch bei denen ist noch nicht endgültig geklärt, ob tatsächlich Fehlentscheidungen vorliegen“, so Kindler. In Bremen sollen, so der erste Vorwurf, rund 1200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl erhalten haben. Gleichwohl gelte es jetzt sicherzustellen, dass die Entscheidungen rechtssicher werden, fügt der Abgeordnete hinzu. Wichtig sei zudem, dass die Stellen „entfristet“ werden.

Europa sei traditionell ein Einwanderungsgebiet, so Kindler. Das würden viele vergessen. Doch es sieht derzeit schlecht aus mit einer Einigung beim Umgang mit Menschen, die Schutz suchen. Rechte Strömungen in vielen Ländern seien „eine Riesengefahr“. Es gelte, Lösungen zu finden, die Humanität und das Recht auf Asyl berücksichtigen. „Jeder, der da nicht mitzieht, darf nicht vergessen: Einschränkungen würden auch seine eigene Freiheit und Rechte betreffen“,argumentiert Ellen Gause.

Quelle: Walsroder Zeitung vom 25.06.2018 Autor: Manfred Eickholt

Dieser Text ist mit freundlicher Genehmigung der Walsroder Zeitung hier verwendet, weshalb wir der Walsroder Zeitung an dieser Stelle ausdrücklich danken.

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