Experte sieht steigende Erdbebengefahr

Bürgerinitiative warnt erneut vor den Auswirkungen der Erdgasförderung im Bereich Walsrode

13.06.17 –

Jens Reinbold

WALSRODE. Als Hans-Hermann Nack im vergangenen Februar im Bauausschuss der Stadt Walsrode verkündete, was ExxonMobil mit den Erdgasbetriebsstätten im Umkreis von Walsrode plant, glich das schon einem Paradigmenwechsel: Walsrode komme nicht mehr als Zentrum für Lagerstättenverpressung in Betracht, vor Ort werde es auch kein Fracking geben, erklärte der Unternehmenssprecher. Die WZ titelte seinerzeit: „(Fast) ausschließlich gute Nachrichten“.

Die Verantwortlichen der Bürgerinitiative (BI) Walsrode griffen diese Überschrift nun auf, um im Rahmen einer Info-Veranstaltung am vergangenen Mittwoch im Hünzinger Forellenhof noch einmal die Bevölkerung zu warnen. Zwar seien die Themen Fracking und das Lagerstätten-Verpresszentrum offenbar vom Tisch, dennoch gingen von der Erdgasgewinnung nach wie vor erhebliche Gefahren aus. „Damit Sie nicht aufs Glatteis geführt werden, führen wir diese Veranstaltung durch“, sagte BI-Sprecher Peter Jahnke zu Beginn der Veranstaltung.

Und die BI hatte als Unterstützung in Bernd Ebeling einen Experten nach Hünzingen eingeladen, der als Diplom-Ingenieur in seiner Heimatregion Wendland schon seit vielen Jahren auf die Folgen und Belastungen durch Erdgasproduktionsstätten und Verpresszentren aufmerksam macht. In Hünzingen ging er vornehmlich auf zwei Themen ein: Die Beeinträchtigungen durch Wartungsarbeiten und das damit verbundene Abfackeln auf der einen Seite, und auf  anderen Seite durch von Erdgasförderung und Lagerstättenverpressung verursachte Erdbeben.

Ebeling beschäftige sich seit fünf Jahren intensiv mit der Erdgasproduktion in der Altmark, „dort gibt es Orte mit erhöhten Parkinson-Raten und Krebsfällen“, so der Experte. Aus hohen Schornsteinen werde dort ungereinigtes oder nur teilgereinigtes Bohrgas in die Luft eingeleitet, „dabei können Stoffe wie Quecksilber, Benzol und radioaktive Stoffe austreten, die den Boden anreichern“, so Ebeling, „und solche Anlagen gibt es auch im Bereich Walsrode.“

Thema Bohrlochreinigung: Wenn sich bei der Produktion Stoffe in den Leitungen ablagern, müssen diese Förderleitungen gereinigt werden. Zuletzt wurde in Fulde am 16. Mai ein Bohrloch gereinigt, die ExxonMobil hatte diese Reinigung auch angekündigt. „Wenn der Förderstrang gereinigt wird, fallen die Verunreinigungen ins Bohrloch. Dann muss es freigefördert werden“, erläutert Ebeling das Prozedere. Dieses hoch belastete Gas werde zunächst durch einen Aktivkohlefilter geleitet, wo es gereinigt werden soll, dann wird es über die Fackel verbrannt. „Ich war mal mit Mitarbeitern des NDR dabei, wir haben Hautausschläge bekommen und hatten einen metallischen Geschmack im Mund“, beschreibt Ebeling das Erlebte und mutmaßt, dass die Emissionen „drei bis vier Mal über den Grenzwerten liegen“ dürften. „Aber es gibt keine Messungen, was da rauskommt“, erklärt der Ingenieur und bemängelt die fehlende Kontrolle: „Bei dem geringen Personal in der Bergaufsicht fahren die da ja nicht raus.“

Diese Emissionen hinterließen Spuren in der unmittelbaren Umgebung, sagt Ebeling, der vor diesem Hintergrund unter die „Pilzsammler“ gegangen ist – rund um die Förderstellen. „Die Werte an Quecksilber in diesen Pilzen sind um das sechs- bis 14-fache höher als gewöhnlich – und damit auch höher als erlaubt“, erläuterte Ebeling, der den Anwohnern rät, „im Umkreis von 200 Metern von Erdgasanlagen keine Pilze oder Heidelbeeren zu sammeln“. Da bestehe Nachbesserungsbedarf auch hinsichtlich der bestehenden Gesetze, so Ebeling. In Fulde indes seien die Werte noch nicht so hoch, „aber Bodenkundler sagen, dass der Boden nie vergisst“.

Ein anderer Aspekt bei der Erdgasförderung steht im Heidekreis noch nicht im Fokus- was allerdings nach den Worten von Ebeling noch kommen kann: Es geht um seismische Ereignisse durch Erdgasförde-rung und Lagerstättenverpressung – kurz Erdbeben. Kleinere, von den Menschen kaum spürbare Beben habe es auch im Raum Walsrode be-reits gegeben, so etwa am 18. Februar 2016, als die Magnitude einen Wert von 2,2 auswies. „Das Epizentrum lag in der Nähe des Clusterplatzes Walsrode“, sagte Ebeling. „Der Branche und dem Bergamt ist seit Jahrzehnten bekannt, dass Erdgasförderung Erdbeben befördern kann“, so der Ingenieur, „doch ein Zusammenhang wurde und wird von den Unternehmen mitunter noch heute abgestritten.“ Dabei blieben solche Erdbeben nicht ohne Folgen für die Anwohner: Ein Beben mit der Magnitude 2,9 hat im Erdgasfördergebiet Völkersen (Landkreis Verden) Schäden an 106 Gebäuden verursacht.

In den Niederlanden sei die Gesellschaft da schon weiter: In dortigen Erdgasfördergebieten seien schon mehr als 30.000 Gebäude durch Erdbeben beschädigt worden. „Die Leute sind auf die Barrikaden gegangen, daraufhin hat die Regierung eine Drosselung der Förderung beschlossen“, sagte Ebeling, der Seismologen aus dem Nachbarland zitierte, „die Erdbeben mit der Magnitude 5 für diese Gebiete vorhersagen.“

Konkrete Forderungen stellte Ebeling auch auf: So appelliert er an die Verantwortlichen, eine Erstellung von seismischen Gefährdungsanalysen für die Erdgasförderstellen vorzunehmen. „Dazu muss auch das Über-wachungsnetz ausgeweitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.“ Betroffenen rät der Experte, die aktuellen Zustände der Gebäude als Beweissicherung zu dokumentieren, falls Beben zu Rissen oder anderen Schäden führen.

Quelle: Walsroder Zeitung vom 09.06.2017
Autor: Jens Reinbold

Dieser Text ist mit freundlicher Genehmigung der Walsroder Zeitung hier verwendet, weshalb wir der Walsroder Zeitung an dieser Stelle ausdrücklich danken.

 

Kategorie

Fracking | Umweltschutz

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